Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Diese Frage stellt Frau Brüllen immer am 5. des Monats und diesmal werde auch ich sie beantworten.
Der Wecker klingelt um sechs. Draußen ist es noch dunkel und das Aufstehen fällt schwer. Noch 10 Minuten schlummern – dann schalte ich den Wecker aus. Dazu muss ich zwei Matheaufgaben lösen – ich bin dann auch hinreichend wach. Da ich einen ziemlich Husten habe, ist vermutlich auch der größte Teil der Nachbarn nun wach.
Duschen, Zähneputzen und dann 5 Minuten aufs Sofa setzen und einen kurzen Blick auf die Nachrichten und den Wetterbericht werfen. Draußen regnet es, für den Nachmittag gibt es eine Unwetterwarnung.
Um 6:55 Uhr verlasse ich das Haus, gehe zur S-Bahn. Den letzten Kilometer bis zum Büro laufe ich wegen des Wetters heute nicht, sondern nehme stattdessen die U-Bahn.
Dann kaufe ich noch einen Kaffee und sitze kurz vor acht an meinem Schreibtisch. Um zehn habe ich ein Meeting zu einem Thema, das mir gestern kurzfristig übergeholfen wurde – da muss ich mich jetzt vorbereiten. Um neun erfahre ich, dass beim Überhelfen gestern relevante Informationen vergessen wurden… Das Meeting läuft dann aber doch ganz gut.
Später arbeite ich meinen neuen Kollegen ein und wir planen die gemeinsame Dienstreise nach Duisburg, die in der kommenden Woche ansteht. Was machen wir denn dann abends in Duisburg?
Irgendwann ist der Arbeitstag auch rum und ich bewege mich zum S-Bahnhof. Allerdings wurde der S-Bahnverkehr gerade wegen des Unwetters komplett eingestellt. Das habe ich so noch nie erlebt. Die U-Bahn fährt noch, so komme ich schon mal in die richtige Richtung.
Mein Arbeitsplatz ist 13 Kilometer von meiner Wohnung entfernt und es gibt verschiedene Möglichkeiten diese zu überbrücken. Per S-Bahn. Etwas umständlicher und mit Laufwegen auch mit anderen Verkehrsmitteln.
Die U-Bahn ist voll. Sehr, sehr voll. Ich kann mit vielen Menschen auf engem Raum nicht so gut umgehen. Ich mache Atemübungen und stelle mir angestrengt vor, ich wäre woanders. Nach 25 Minuten bin ich am Alexanderplatz, nur noch gut 4 Kilometer von zu Hause entfernt.
Es fahren nur noch ein paar U-Bahn-Linien. Busse, Straßenbahnen, S- und Regionalbahnen wureen komplett eingestellt. Eine U-Bahn fährt halbwegs in meine Richtung. Auf dem Bahnsteig sieht es so aus:
Da jetzt reindrängeln? Und dann noch 1,5 Kilometer laufen? Ich gehe erstmal einen Kaffee trinken und hoffe, dass die Situation sich irgendwie entspannt.
Innerhalb der nächsten Stunde entspannt sie sich nicht. Taxis, Car-Sharing-Autos oder Mietwagen sind nicht mehr zu bekommen. Am Bahnhof warten lauter gestrandete Reisende mit mehr oder weniger guter Laune.
Ich will nicht mehr warten und mich auch nicht in die U-Bahn drängeln und laufe los. 4 km sind ja nicht die Welt. Allerdings ist auch irgendwie Unwetter.
Immer wieder wird sich über wenig modische Funktionskleidung in deutschen Großstädten lustig gemacht. Ich freue mich über meine wind- und wasserdichte Jacke. Immerhin gibt es einen schönen Sonnenuntergang.
Das Unwetter hat die eine oder andere Spur hinterlassen:
Ca. 600 Meter vor dem Ziel (meine Wohnung) biege ich in die Stammkneipe ab, wo ein Freund auf mich wartet und sich geduldig die ganze Odyssee beschreiben lässt. Später kommt noch der Chef dazu. Bevor es ausartet gehen wir dann aber nach Hause, schließlich müssen wir ja morgen früh wieder raus. Ich hoffe, dass die Bahnen dann wieder fahren.