Bier & Schweiß und Rock `n´ Roll – Mighty Sounds in Tabor

Mighty Sounds Festival

Laute Musik bei brütender Hitze mit viel billigem Bier und guten Freunden. Besser geht es nicht!

Mein letztes Festivalerlebnis endete mit einem explodierten Dixie-Klo umgeben von einem riesigen Haufen Müll und der Erkenntnis: ich finde ganz viele Leute blöd. Erst recht (aber nicht nur) wenn sie betrunken sind. Das war 2010 auf dem Hurricane – natürlich hatte es das ganze Wochenende geregnet und natürlich war alles voll und teuer und bei den Lieblingsbands war es so überlaufen, dass man nur weit weg von der Bühne noch stehen konnte, wenn man sich nicht schon Stunden vorher einen Platz gesichert hatte. Also hatte ich meine Festivalkarriere damals für beendet erklärt – vielleicht war ich ja wirklich langsam zu alt für den Scheiß?!

Im letzten Jahr war dann plötzlich die Rede von einem Festival in Tschechien, welches (auf Deutsch) damit warb, dass es auf dem Festivalgelände (tschechisches) Budweiser Bier für 1,50 € je halben Liter gäbe – das klang wie ein überzeugendes Argument doch nochmal ein Festival zu besuchen, auch wenn wir dann letztlich nicht hingefahren sind.

Das mit den günstigen Bierpreisen hatten der Lieblingsmitbewohner, der Chef und Freund Joka nicht vergessen und nachdem das aktuelle Line-Up für gut befunden wurde und terminliche Schwierigkeiten beseitigt waren, haben wir fünf Karten für das ” Mighty Sounds” Festival 2015 in Tábor südlich von Prag gekauft – für die drei Jungs, Lieblingsmitbewohnerin D und mich. Die Erinnerungen an das nervige Hurricane von 2010 waren ziemlich verblasst und ich freute mich auf ein Wochenende mit meinen Freunden. Vielleicht war ich ja doch noch nicht zu alt?

Bühne beim Mighty Sounds Festival

Bei den ganzen Vorüberlegungen (Wann fahren wir los? Wer nimmt was mit? etc.) spielte Bier eine große Rolle: wieviel Bier brauchen wir und wo kaufen wir das? Der Chef studierte online die Sonderangebote der Supermärkte in Tábor und tagelang wurde darüber diskutiert, wieviel Bier man denn für die Fahrt bräuchte und ob man das alles mitnehmen oder unterwegs teuer aber gekühlt an Raststätten kaufen sollte. Da allerdings niemand Bier eingekauft hatte, machten wir uns völlig alkoholfrei auf den Weg.

Die D. konnte dann doch nicht mitkommen, so dass wir zu viert am Freitagmorgen um kurz nach acht den Mietwagen vollgeladen und uns auf den Weg nach Tschechien gemacht haben. Es war schon die letzten Tage ziemlich heiß gewesen und für das Wochenende waren auch in Tschechien Temperaturen um die 35° vorhergesagt. Noch war es allerdings recht angenehm. Selbstverständlich musste ich schon kurz hinter der Stadtgrenze auf’s Klo und selbstverständlich wurde das von den Herren mit Unverständnis und Pöbelei quittiert. Immerhin hatte ich daran gedacht meine gesammelten Sanifair-Bons mitzunehmen, so dass die an der Raststätte gekauften (immer noch alkoholfreien) Getränke nur noch teuer und nicht mehr unglaublich unverschämt teuer wirkten.

Insgesamt verlief die Fahrt störungsfrei, so dass wir pünktlich nach ca. 5 Stunden in Tábor waren und dort erstmal zu Kaufland fuhren um ein paar Lebensmittel und Getränke zu kaufen. Kaufland war direkt gegenüber vom Festivalgelände und hatte sich auf die Kundschaft eingestellt – z.B. in Form von zwei ziemlich unfreundlich aussehenden Sicherheitsmenschen, die bei der Hitze ganz in schwarz mit dicken Stiefeln neben dem Eingang standen und grimmig guckten. Angeguckt haben sie vor allem stark tätowierte aber leicht bekleidete Festivalbesucher. Nachdem wir also das Nötigste eingekauft hatten (Wasser, Bier und Dosenfleisch) ging es endlich auf das Festivalgelände und an den Zeltaufbau.

Der Chef und ich hatten unser gut eingewohntes Campingzelt dabei, d.h. der Aufbau ging schnell und problemlos vonstatten. Joka und der Lieblingsmitbewohner hatten allerdings Jokas neueste Errungenschaft a.k.a. “Das Schloss” dabei – um dieses Zelt aufzubauen braucht man nicht nur viel Platz, sondern auch mehr als 4 linke Hände. Irgendwann stand es dann aber doch und zwar ohne das Aufbau-Video nochmal anzuschauen, was Joka sich sicherheitshalber runtergeladen hatte. Nach etwas Rumprobieren stand dann auch das Tarp, das wir extra gekauft hatten und erfüllte seinen Zweck als Sonnenschutz.

Zelt Aufbau Mighty Sounds 2015

Wir waren also startklar aber auch ziemlich verschwitzt. Komischerweise ging es auf dem Camping-Gelände absolut gesittet zu – es lag kaum Müll in der Gegend rum und auch keine betrunkenen Menschen und es brüllte auch niemand Unflätigkeiten. Das sollte sich auch in den nächsten Tagen nicht ändern: ich war noch nie auf einem so entspannten, sauberen und netten Festival. Keine Ahnung ob es an der Hitze lag aber nicht einmal habe ich in den drei Tagen aggressives Verhalten beobachtet, und das obwohl dort nicht wenig Alkohol geflossen ist. Und auch rein musikalisch war das ja nun kein Schlager-Festival.

Sour Bitch Party Spot Mighty Sounds

Wir hörten also Musik und tranken Bier, saßen im Gras oder tanzten vor der Bühne und freuten uns. Über die Musik, über die Leute, über das Bier…

Der Samstag startete dann erstmal mit Frühstück und zwar ganz herrschaftlich mit Latte Macchiato. Wir hatten zwar keinen Grill dabei, aber einen Gaskocher mit Espressomaschine und Milchaufschäumer. Die Prioritäten ändern sich eben mit zunehmendem Alter. Ansonsten haben wir ob der Hitze jede Bewegung (bis auf das Eincremen mit Sonnenmilch) vermieden bis es wieder Nachmittag war und die Konzerte begannen.

Und genauso verlief der Sonntag. Und was vorher schon ziemlich gut war, war auf einmal perfekt. Hinter der Bühne ging die Sonne langsam unter, ich stand mit einem Bier in der Hand an einem Sommerabend mit meinen Freunden zwischen lauter fröhlichen Menschen und hörte Ska. Vorher hatte die Lieblingsband vom Chef gespielt und ich war ganz verliebt in den selig singenden und tanzenden Mann. Noch seliger wurde der, als ihm die Band bei der Autogramstunde erzählt hat, dass sie im November wieder in Berlin spielen würden. Dieser Moment ist übrigens in folgendem Video festgehalten (ca. bei 0:49):

Irgendwann war es dann kurz vor 23 Uhr am Sonntagabend und ich holte mir noch ein Bier um mir mit Red Fang noch eine letzte Band anzusehen. Ich war ziemlich zufrieden, verschwitzt und ein bisschen angetrunken. Und dann passierte etwas Seltenes (zumindest passiert mir das selten). Die Band kommt auf die Bühne, fängt an zu spielen und plötzlich ist alles egal und überall ist nur noch Musik: oben, unten, hinten, vorne, in mir drin und um mich herum. Ich bin überrascht und glücklich und weiß gar nicht mehr wo ich aufhöre und wo die Musik anfängt und irgendwie spielt das auch alles gar keine Rolle, solange es bloß nicht aufhört.

Natürlich hört es dann doch viel zu schnell auf und ich bin viel zu aufgekratzt um gleich schlafen zu gehen, deshalb bleiben wir noch ein bisschen und ich freu mich wie verrückt darüber, eine neue Lieblingsband entdeckt zu haben.

Der Rest ist schnell erzählt: schlafen, aufstehen, Zelte abbauen, nach Hause fahren, endlich auf ein richtiges Klo gehen, ausführlich duschen. Und dabei die Gewissheit: ich bin nicht zu alt für den Scheiß!


tl;dr: Ich hatte viel Spaß beim Mighty Sounds – Festival in Tschechien Dort war es sehr warum und ich habe eine neue Lieblingsband (nämlich Red Fang) für mich entdeckt.

 

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