25.10.2011 – You get what you pay for

Zug

Auch wenn Simferopol sich als viel sehenswerter und angenehmer als erwartet herausgestellt hatte, wollten wir die Krim nun verlassen. Odessa ist 9 Stunden mit dem Bus oder 12 Stunden mit dem Zug entfernt und auch wenn unsere Luxus-Bahnfahrt von Kiew auf die Krim verhältnismäßig angenehm war, so wollten wir die Strecke auf zwei Tage aufteilen.

Es gab nur zwei Orte auf halber Strecke nach Odessa, die im Reiseführer benannt wurden und wir entschieden uns für einen Zwischenstopp in Мykolayiv (oder Nikolajev). Also sechs Stunden Zugfahrt (tagsüber).

Nachdem uns das letzte Mal Dekadenz ob unserer Fahrt in der 1. Klasse vorgeworfen wurde, waren wir diesmal sparsam und kauften Tickets für die 3. Klasse. Es gab keinen Wagon mit reinen Sitzplätzen, sondern nur Schlaf- bzw. Liegewagen.

Um es mal vorsichtig auszudrücken: die 3. Klasse ist nicht ganz so komfortabel wie die 1.
Dass der Wagon recht alt und ziemlich voll war, störte uns nicht so sehr, dass er total überheizt war, allerdings umso mehr.
Es war heiß! Sehr heiß, und sehr stickig. Die Fenster ließen sich nicht öffnen und sobald der Zug los fuhr, fing die Hälfte der Mitreisenden an Essen zuzubereiten. In jedem Wagon gibt es eine Art großen Samowar, aus dem sich jeder kostenlos mit heißem Wasser bedienen kann. Also wurde während der Fahrt von Tee über Kaffee bis zu Nudelgerichten und 5-Minuten-Terrinen alles mögliche zubereitet. Diese Gerüche vermischten sich dann wenig angenehm mit denen von vielen Menschen auf engem Raum bei großer Hitze und ohne Frischluftzufuhr.
Und der Chef hatte ne Erkältung und schniefte und nieste vor sich hin (und erregte damit Mitleid bei den Mitreisenden).

Wir hatten keine zusammenhängenden Plätze und meine sorgsam durchdachten und pantomimisch dargestellten Tauschaktionen scheiterten leider an dem Schlafbedürfnis einer potentiell am Tausch beteiligten Dame. (Es handelte sich um Doppelstockbetten, auf denen man nur unten einigermaßen bequem sitzen kann. Da der Chef und ich jeweils obere Betten hatten und eine Dame auf ihrem gebuchten,unteren, Bett schlafen wollte – warum will die denn zwischen 12 und 18 Uhr schlafen? – ging mein schön durchdachter Plan leider nicht auf.)
Da kam das Mitleid mit dem schniefenden Chef ins Spiel. Die junge Frau mit dem Bett unter meinem wollte nicht schlafen und hat während der Fahrt freundschaftliche Bande mit irgendwelchen russischen Trainerinnen geschlossen, so dass Marcus auf ihrem Platz sitzen konnte. So konnte er mich anschniefen und anniesen und mein Mitleid erregen.

Als wir in Mykolayiv angekommen sind war es schon dunkel, so dass wir von der Stadt nicht viel gesehen haben. Mit dem Minibus sind wir zum vorher gebuchten Hotel gefahren, haben uns über englischsprachige Menschen und eine sowohl kalk- als auch schimmelfreie Dusche gefreut und sind noch schnell im Restaurant nebenan etwas essen gegangen.
Dort haben wir unsere Kellnerin so verängstigt, dass uns nach der Vorspeise ein anderer Kellner bedienen musste. Das war selbstverständlich nicht unsere Absicht.
Wir konnten ihr bloß nicht begreifbar machen, dass wir (bzw. der Chef) viel länger brauchen um uns für ein Gericht von der Karte zu entscheiden, als sie sich das vorstellen konnte.

Vor dem Einschlafen mussten / sollten wir uns endlich mal Gedanken um Schlafmöglichkeiten in Odessa machen.
Die in Hostels und Hotels angebotenen Zimmer (die sich in unserer Preisklasse befinden) rissen uns nicht so vom Hocker. Da wir in Jalta so gute Erfahrung mit der Apartmentanmietung gemacht hatten, vertagten wir die Zimmersuche auf den nächsten Morgen (wir vermuteten, dass um 23 Uhr in den entsprechenden Agenturen niemand mehr arbeitet) und hofften, dass dieser – leicht spontane – Plan nicht nach hinten losgeht.