Am 5. des Monats will Frau Brüllen wissen, was ich den ganzen Tag so mache:
Ich kann heute länger schlafen, weil ich nicht um 8 Uhr im Büro am anderen Ende der Stadt, sondern um 10 Uhr in einem Ärztehaus paar Straßen weiter sein muss. Dadurch habe ich Zeit für den guten Kaffee von der Kaffeerösterei gegenüber – die haben noch zu, wenn ich ganz normal zur Arbeit gehe.
Draußen ist es verhältnismäßig warm und sonnig und es riecht nach Herbst.
Die Google-Bewertungen der Arztpraxis (zu der ich heute zum ersten Mal gehe) sind grottenschlecht – besonders negativ werden die Menschen bei der Anmeldung erwähnt. Zu mir war die junge Frau ganz nett oder doch zumindest nett genug (wir sind hier ja in Berlin). Sie nimmt meinen Papierkram entgegen und schickt mich ein paar Häuser weiter. Dort sind alle ganz besonders nett. Mit dem Arzt rede ich über Bestrahlung und Anschlussheilbehandlung und Computertomographien und dann schwirrt mir der Kopf und ich fahre zur Arbeit.
Im Büro sind weniger Leute als geplant waren und ich frag mich, ob die paar Hanseln denn die ganze Arbeit schaffen, aber es geht irgendwie und ich kümmer mich um meinen Kram. Nachmittags habe ich dann ein Gespräch mit den Chefs um zu klären, wie es bei mir in den nächsten Monaten mit der Arbeit weitergeht. Nicht zum ersten Mal werde ich gefragt, warum ich mich nicht einfach krank schreiben lasse und zu Hause bleibe. Ich fühle mich bloß gar nicht (so) krank und will außerdem die Kollegen jetzt nicht im Stich lassen, nur um mich zu Hause dann doch krank zu fühlen. Vielleicht ändert sich ja meine Einstellung noch.
Der Nachhauseweg dauert dann länger als üblich, weil auf der Strecke irgendeine S-Bahn liegen geblieben ist. Ich habe keinen Zeitdruck aber einen Sitzplatz und ein Buch. Irgendwann komme ich dann zu Hause an.
Um kurz vor 8 ist es schon stockfinster und ich gehe zum Friseur. Von wegen Anonymität der Großstadt. Wenn fast alle Kund*innen Stammkund*innen sind, dann wird es da auch mal privat. Und das quer durch den Laden.
Ich überlege kurz ob ich noch Lust auf Bier und / oder Leute habe und stelle fest: Bier geht, Leute heute nicht mehr so. Also sitze ich jetzt allein mit Bier und Laptop auf der Couch, schreibe diesen Beitrag und das wird es dann für heute wohl auch gewesen sein.